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Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung am Ar­beits­platz

All­ge­mei­nes Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG)

Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) ist seit 18. Au­gust 2006 in Kraft. Die­ses Bun­des­ge­setz setzt vier eu­ro­päi­sche An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­richt­li­ni­en in deut­sches Recht um. Ziel des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) ist es, Be­nach­tei­li­gun­gen aus Grün­den der Rasse oder wegen der eth­ni­schen Her­kunft, des Ge­schlechts, der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, einer Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Iden­ti­tät zu ver­hin­dern oder zu be­sei­ti­gen (§ 1 AGG).

Mit den Vor­schrif­ten zum Ver­bot der se­xu­el­len Be­läs­ti­gung im AGG wur­den die Vor­ga­ben in Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie  2002/73/EG in bun­des­deut­sches Recht um­ge­setzt. Gleich­zei­tig wurde das frü­her gel­ten­de Be­schäf­tig­ten­schutz­ge­setz außer Kraft ge­setzt.

Was ist eine se­xu­el­le Be­läs­ti­gung?

Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) for­mu­liert es so:

Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung ist „jedes un­er­wünsch­te, se­xu­ell be­stimm­te Ver­hal­ten, das be­zweckt oder be­wirkt, dass die Würde der be­tref­fen­den Per­son ver­letzt wird.

Das gilt ins­be­son­de­re, wenn ein von Ein­schüch­te­run­gen, An­fein­dun­gen, Er­nied­ri­gun­gen oder Be­lei­di­gun­gen ge­kenn­zeich­ne­tes Um­feld ge­schaf­fen wird (§ 3 Abs.4 AGG).

Kon­kre­te Bei­spie­le dafür sind:

  • Un­er­wünsch­te se­xu­el­le Hand­lun­gen oder die Auf­for­de­rung dazu
  • Se­xu­ell be­stimm­te kör­per­li­che Be­rüh­run­gen
  • Be­mer­kun­gen se­xu­el­len In­halts
  • Das un­er­wünsch­te Zei­gen por­no­gra­fi­scher Dar­stel­lun­gen

Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung - das kön­nen Worte, Ges­ten oder Taten sein:

  • Dich­tes Her­an­tre­ten mit Strei­cheln der Haare
  • Witze mit se­xu­el­lem Bezug,
  • an­züg­li­che Be­mer­kun­gen über die Figur oder über das se­xu­el­le Ver­hal­ten,
  • der Klaps auf den Po,
  • aber auch Auf­for­de­run­gen zu se­xu­el­lem Ver­kehr,
  • Brie­fe und Te­le­fon­an­ru­fe mit se­xu­el­len An­spie­lun­gen
  • und straf­recht­lich re­le­van­te Tat­be­stän­de wie se­xu­el­le Nö­ti­gung, Ver­ge­wal­ti­gung oder Stal­king.

Die se­xu­el­le Be­läs­ti­gung kann von Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen aus­ge­hen, von Vor­ge­setz­ten oder Kun­den des Be­trie­bes, Un­ter­neh­mens oder der Dienst­stel­le - wäh­rend der Ar­beits­zeit oder bei Be­triebs­an­läs­sen.

Be­son­ders ver­werf­lich ist die se­xu­el­le Be­läs­ti­gung dann, wenn ein Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis aus­ge­nutzt wird, be­ruf­li­che Vor­tei­le ver­spro­chen oder Nach­tei­le an­ge­droht wer­den. Dies gilt ins­be­son­de­re für Vor­ge­setz­te, Per­so­nen mit Personalverantwortungs-​ und Aus­bil­dungs­funk­tio­nen.

Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung ist immer ein ein­sei­ti­ges Ver­hal­ten, das sich grund­le­gend von Kom­pli­men­ten un­ter­schei­det.

Vor­satz oder Ab­sicht der be­läs­ti­gen­den Per­son sind nicht er­for­der­lich. Für das „Be­wir­ken“ im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG ge­nügt der bloße Ein­tritt der Be­läs­ti­gung. Ge­gen­tei­li­ge Ab­sich­ten oder Vor­stel­lun­gen der be­läs­ti­gen­den Per­son spie­len keine Rolle. Im Ver­gleich zu der Re­ge­lung des § 2 Abs.2 Be­schäf­tig­ten­schutz­ge­setz, die mit dem In­kraft­tre­ten des AGG am 18. Au­gust 2006 außer Kraft ge­tre­ten ist, ist es nicht mehr not­wen­dig, dass die Be­trof­fe­nen ihre ab­leh­nen­den Ein­stel­lun­gen zu den frag­li­chen Hand­lun­gen aktiv ver­deut­licht haben müs­sen. Das Tat­be­stands­merk­mal der „Un­er­wünscht­heit“ in § 3 Abs. 4 AGG er­for­dert nur noch, dass die „Un­er­wünscht­heit“ der Ver­hal­tens­wei­sen ob­jek­tiv er­kenn­bar ist. (so das Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 9.6.2011, 2 AZR 323/10; Wendeling-​Schröder in Wendeling-​Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

Wie wirkt sich se­xu­el­le Be­läs­ti­gung aus?

Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung am Ar­beits­platz min­dert die Leis­tungs­fä­hig­keit der Be­trof­fe­nen und stört den Be­triebs­frie­den. Die Opfer von se­xu­el­ler Be­läs­ti­gung füh­len sich häu­fig ver­un­si­chert, min­der­wer­tig und in ihrer Würde ver­letzt. Fol­gen dar­aus kön­nen sein: Ver­lust der Ar­beits­mo­ti­va­ti­on, Angst und De­pres­sio­nen.

Trotz­dem be­fürch­ten Be­trof­fe­ne ne­ga­ti­ve Re­ak­tio­nen und trau­en sich darum nicht, sich zu be­schwe­ren. Daher ver­harm­lo­sen oder ver­schwei­gen sie die Be­läs­ti­gung, auch aus Angst vor Ver­leum­dung oder Ar­beits­platz­ver­lust.

Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung stellt einen Ver­stoß gegen Arbeits-​ und Dienst­pflich­ten dar und kann für die be­läs­ti­gen­de Per­son ar­beits­recht­li­che, dis­zi­pli­nar­recht­li­che und straf­recht­li­che Fol­gen haben. Sie ist eine Dis­kri­mi­nie­rung auf Grund des Ge­schlechts und ty­pi­scher­wei­se Aus­druck einer Her­ab­set­zung der be­trof­fe­nen Per­son.

Weh­ren Sie sich!

Neh­men Sie Ihre Ge­füh­le ernst, wenn Gren­zen über­schrit­ten wer­den. War­ten Sie nicht dar­auf, dass die Be­läs­ti­gun­gen von selbst auf­hö­ren! Igno­rie­ren oder scherz­haf­te Re­ak­tio­nen füh­ren nicht dazu, dass die Be­läs­ti­gun­gen enden. Im Ge­gen­teil:

Ein kla­res Nein und eine ein­deu­ti­ge Zu­rück­wei­sung sind da­ge­gen in der Regel wir­kungs­voll!

Brin­gen Sie den Mut auf, sich gegen die be­läs­ti­gen­de Per­son zu weh­ren! 

  • Ma­chen Sie klar und un­miss­ver­ständ­lich deut­lich, dass das Ver­hal­ten nicht to­le­riert wird. Holen Sie sich dazu ge­ge­be­nen­falls kol­le­gia­le Hilfe!

    Sagen Sie sehr di­rekt, was Sie er­war­ten: „Mir sind ihre Um­ar­mun­gen sehr un­an­ge­nehm und ich will, dass Sie künf­tig Ab­stand hal­ten.“

    „Bitte un­ter­las­sen Sie diese an­züg­li­chen SMS, ich bin an einem pri­va­ten Ver­hält­nis mit Ihnen nicht in­ter­es­siert. Soll­ten Sie damit nicht auf­hö­ren, werde ich mich be­schwe­ren.“

  • Wenn Sie Angst haben, sich mit der be­läs­ti­gen­den Per­son di­rekt aus­ein­an­der­zu­set­zen oder damit kei­nen Er­folg hat­ten, kann es sinn­voll sein, die be­läs­ti­gen­de Per­son schrift­lich auf­zu­for­dern, ihr Ver­hal­ten zu un­ter­las­sen.

  • Es ist mög­lich, dass meh­re­re Schrit­te nötig sind. Er­stel­len Sie ein Pro­to­koll und do­ku­men­tie­ren sie Datum, Zeit, Ort und Art der Be­läs­ti­gun­gen. No­tie­ren Sie sich auch, was Sie un­ter­nom­men haben. Hal­ten Sie fest, ob es Zeu­gin­nen und Zeu­gen für die Vor­fäl­le gibt. Fra­gen sie diese, ob sie zu einer Aus­sa­ge be­reit wären. Heben Sie be­läs­ti­gen­de Schrift­stü­cke, E-​Mails, SMS etc. auf, um Be­wei­se zu si­chern.

  • Sind an­de­re Per­so­nen an­we­send, ist es ein wirk­sa­mes Mit­tel, das Ver­hal­ten der be­läs­ti­gen­den Per­son öf­fent­lich zu ma­chen. Wei­sen Sie Be­läs­ti­gun­gen laut und deut­lich zu­rück.

Neh­men Sie Hilfe in An­spruch!

Im öf­fent­li­chen Dienst des Lan­des Sachsen-​Anhalt ste­hen für Be­ra­tun­gen die Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten zur Ver­fü­gung, ins­be­son­de­re die haupt­amt­li­chen und haupt­be­ruf­li­chen Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten. Sie sind zu­stän­dig, die Be­schwer­den über se­xu­el­le Be­läs­ti­gun­gen ent­ge­gen zu neh­men, die Be­trof­fe­nen zu be­ra­ten und mit Zu­stim­mung der Be­trof­fe­nen die Be­hör­den­lei­tung zu in­for­mie­ren.

In der Pri­vat­wirt­schaft gibt es in ei­ni­gen Un­ter­neh­men Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te. Für Be­ra­tun­gen ste­hen auch Be­triebs­rä­te, Per­so­nal­rä­te sowie die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen zur Ver­fü­gung.

Alle ge­nann­ten Stel­len sind zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet, sie sind eben­falls An­lauf­stel­le, in­for­mie­ren über mög­li­che wei­te­re Schrit­te und Hilfs­an­ge­bo­te. Nur mit Ein­ver­ständ­nis der Be­trof­fe­nen tei­len sie den Be­schwer­de­stel­len oder den Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen den Sach­ver­halt mit, damit diese ent­spre­chen­de Maß­nah­men tref­fen kön­nen.

Dar­über hin­aus kön­nen die eh­ren­amt­li­chen Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten erste An­sprech­part­ne­rin­nen sein.

Be­schwe­ren Sie sich!

Nach dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) haben Ar­beit­ge­ben­de dafür zu sor­gen, dass die Be­schäf­tig­ten vor se­xu­el­ler Be­läs­ti­gung ge­schützt wer­den.

In jedem Be­trieb, Un­ter­neh­men und jeder Dienst­stel­le muss eine Be­schwer­de­stel­le be­stimmt und be­kannt ge­macht wer­den. Diese nimmt Be­schwer­den bei Ver­stö­ßen gegen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz ent­ge­gen und berät die Be­trof­fe­nen.

Bei Be­schwer­den ist wie folgt zu ver­fah­ren: 

  1. die Be­schwer­den wer­den unter allen tat­säch­li­chen und recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten ge­prüft,
  2. die be­läs­ti­gen­den Per­so­nen sind über die tat­säch­li­chen und recht­li­chen Fol­gen der se­xu­el­len Be­läs­ti­gung am Ar­beits­platz auf­zu­klä­ren und es ist ihnen recht­li­ches Gehör zu ge­wäh­ren,
  3. Wird eine se­xu­el­le Be­läs­ti­gung fest­ge­stellt, sind ge­eig­ne­te, er­for­der­li­che und an­ge­mes­se­ne Maß­nah­men zur Un­ter­bin­dung der Be­nach­tei­li­gung  zu er­grei­fen (§ 12 Abs.3 AGG)- wie Ab­mah­nung, Um­set­zung, Ver­set­zung, Kün­di­gung oder Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men.
  4. das Er­geb­nis der Prü­fung ist den Be­schwer­de­füh­ren­den mit­zu­tei­len (§13 Abs.1 Satz 2 AGG).

Die in Nr. 1, 2 und 4  ge­nann­ten Auf­ga­ben kann der Ar­beit­ge­ben­de auf die Be­schwer­de­stel­le de­le­gie­ren.

Die be­trof­fe­nen Per­so­nen müs­sen ge­gen­über den Be­schwer­de­stel­len sub­stan­ti­iert dar­le­gen, wel­che Tat­sa­chen zu der An­nah­me ge­führt haben, dass eine se­xu­el­le Be­läs­ti­gung vor­liegt. An­de­ren­falls kann die Dienst­stel­le keine Sank­tio­nen ver­hän­gen.

Das Be­schwer­de­ver­fah­ren soll aus Be­weis­si­che­rungs­grün­den do­ku­men­tiert und ge­trennt von der Per­so­nal­ak­te auf­be­wahrt wer­den. Das Mi­nis­te­ri­um für Jus­tiz und Ver­brau­cher­schutz des Lan­des Sachsen-​Anhalt hat einen Leit­fa­den zur Do­ku­men­ta­ti­on bei Be­schwer­den gemäß § 13 AGG wegen se­xu­el­ler Be­läs­ti­gung er­ar­bei­tet, den Sie nach­fol­gend her­un­ter­la­den kön­nen.