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Sexualisierte Gewalt

Allgemeines

Fachpraxis und Wissenschaft sprechen von sexualisierter Gewalt, wenn sexuelle Handlungen als Mittel zum Zweck, also zur Ausübung von Macht und Gewalt, vorgenommen werden. Sexualisierte Gewalt ist ein massiver Eingriff in die Intimsphäre einer anderen Person gegen deren Willen und findet oft in Abhängigkeitsverhältnissen statt. Mädchen, Jungen und Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderung gehören deshalb zu den besonders gefährdeten Personengruppen.

Jeder Mensch hat das Recht, an jedem Punkt einer Begegnung "nein" zu sagen, wenn sie beziehungsweise er sich unwohl fühlt. Es gibt kein "zu früh" und kein "zu spät".

Wenn das Opfer seine Ablehnung nicht in Worte fassen kann, kann es der Täterin oder dem Täter durch Verhalten, wie wegdrehen, sich „steif wie ein Brett“ machen, wegstoßen, weinen, zeigen, dass es die sexuelle Handlung nicht möchte. Alle vom Opfer ungewollten sexuellen Handlungen sind strafbar.

Ist das Opfer nicht in der Lage, seinen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, weil es beispielsweise mit Substanzen betäubt wurde oder auf Grund seines körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, sind jegliche sexuellen Handlungen ebenso strafbar.

Sexualisierte Gewalt umfasst alle sexuellen Handlungen zum Beispiel:

  • sexuelle Anspielungen, obszöne Worte oder Gesten,
  • aufdringliche und unangenehme Blicke,
  • Briefe oder elektronische Nachrichten mit sexuellem Inhalt,
  • unerwünschtes Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt,
  • sexualisierte Berührungen, beispielsweise Berührungen des Genitalbereichs oder der Brust über der Kleidung,
  • Berührungen oder Manipulationen an den unbedeckten Genitalien oder der Brust,
  • wenn jemand sich vor jemandem masturbiert oder sich exhibitioniert,
  • vaginale, orale, anale Vergewaltigungen.

Jede sexuelle Handlung, die gegen den erkennbaren Willen der oder des Betroffenen geschieht, ist im Strafgesetzbuch erfasst und geregelt.

Bei Sexualdelikten entstehen nicht immer körperlich sichtbare Verletzungen, sondern vor allem seelische Verletzungen, die sogar für viele Betroffene schwerwiegender sein können.

Menschen reagieren je nach Persönlichkeit ganz unterschiedlich auf ein Sexualdelikt. Manche sind völlig aufgelöst, verzweifelt oder wütend, andere wirken ruhig und gelassen. Viele Betroffene reden kaum über das, was ihnen passiert ist, weil sie sich schämen und befürchten, dass man ihnen nicht glaubt oder ihnen Schuldvorwürfe macht. Einige Betroffene schützen sich durch Verleugnung oder durch sozialen Rückzug. Wieder andere haben Angst vor dem Alleinsein und halten Situationen, in denen sie allein sind, nicht aus.

Gerade in solchen Fällen, in denen Betroffene die Täterin oder den Täter persönlich kennen, mit dieser Person vielleicht verabredet waren oder sie in die Wohnung eingeladen haben, fühlen sie sich selbst mitschuldig.

Emotionale, psychische und finanzielle Abhängigkeiten in einer Beziehung und Machtausübung spielen hierbei eine sehr große Rolle. Ebenso können im Arbeitsverhältnis den Beschäftigten berufliche Nachteile angedroht werden, falls sie sexuelle Handlungen verweigern.

Oder Vorteile dafür versprochen werden, wenn sie sich auf sexuelle Handlungen einlassen.

Besonders gefährdet sind Arbeitende in der Probezeit, in ungelernten Berufen, in ungesicherten Arbeitsverhältnissen und in der Ausbildung.

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Sexualisierte Gewalt gegen Kinder

Anzeichen im Verhalten von Kindern, die eindeutig auf das Erleben von sexualisierter Gewalt hindeuten, gibt es nicht. Es ist altersbedingt und persönlichkeitsbedingt sehr verschieden und entspricht keinem vorhersehbaren Muster. Manchen Kindern merkt man nichts an. Andere Kinder verändern sich und zeigen Auffälligkeiten, wie zum Beispiel

  • starke Stimmungsschwankungen,
  • aggressives Verhalten gegen sich selbst oder andere,
  • Rückzugstendenzen,
  • Schlafstörungen,
  • Bauchschmerzen,
  • Einnässen oder
  • Ängste,
  • das Nachspielen altersuntypischer sexueller Handlungen oder
  • Benutzen einer auffällig sexualisierten Sprache.

Generell gilt: Verhaltensauffälligkeiten von Kindern sind immer ein Hilferuf, dessen Ursache mit fachlicher Unterstützung abgeklärt werden sollte.

Kinder und Jugendliche sind besonders schutzbedürftig. Daher ist auch im Strafverfahren für sie eine Reihe von Schutzvorschriften vorgesehen, zum Beispiel:

Eine notwendige Vernehmung kann per Video aufgenommen werden, um Mehrfachvernehmungen zu vermeiden.

In einer Hauptverhandlung werden Minderjährige ausschließlich von der Richterin oder vom Richter befragt, es sei denn die Richterin oder der Richter gestatten eine unmittelbare Befragung durch eine andere Person, sofern ein Nachteil für das Wohl der Zeugin oder des Zeugen nicht zu befürchten ist.

Ein Ausschluss der Öffentlichkeit wird durch das Gericht in der Regel angeordnet.

Das Gericht kann anordnen, dass sich die beziehungsweise der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl der oder des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart der oder des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für Ihre Gesundheit besteht.

Erziehungsberechtigte können ihr Kind begleiten, sofern nicht ein Elternteil selbst verdächtigt wird.

Auf Antrag haben minderjährige Betroffene in der Regel Anspruch auf anwaltliche Vertretung und eine kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung.

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Hilfe nach sexualisierter Gewalt

Das Erleben von sexualisierter Gewalt kann für viele Betroffene eine enorme emotionale Belastung sein.

Aber auch die Vermutung oder das Wissen über sexualisierte Gewalt in der Familie, im Freundeskreis oder  Bekanntenkreis kann für Angehörige, Bezugspersonen oder Unterstützende eine erhebliche Last bedeuten. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, und Gefühle, wie Wut und Ohnmacht, verunsichern zusätzlich. Entsprechend der unterschiedlichen Anliegen und Bedarfe finden Sie hier wichtige Verhaltensempfehlungen, an denen Sie sich orientieren können.

Wir möchten Sie ermutigen, sich gern auch anonym Beratung und Unterstützung einzuholen.

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So helfen Sie Opfern sexualisierter Gewalt

Versuchen Sie Ruhe zu bewahren. Überlegen Sie, wie Sie die Betroffenen vor der verdächtigen Person und vor weiteren Missbrauchshandlungen schützen und in Sicherheit bringen können. Holen Sie sich gegebenenfalls Hilfe bei den Opferhilfeeinrichtungen!

Nehmen Sie die Schilderungen von Betroffenen ernst. Seien Sie aufmerksam für die Bedürfnisse, die gerade vorhanden sind. Das heißt, fragen Sie nach, was gerade hilfreich ist und welche Unterstützung diejenige oder derjenige in diesem Moment benötigt. Sagen Sie Ihnen, dass Sie Ihren Aussagen glauben, vermeiden Sie bitte Schuldzuweisungen.

Signalisieren Sie der oder dem Betroffenen, dass sie beziehungsweise er über das Geschehene sprechen kann und dass Sie es sich zutrauen, die Schilderungen zu ertragen. Fragen Sie die Betroffenen bitte nicht aus, sondern bieten Sie an, zu erzählen, wie sie oder er sich fühlt, was sie oder ihn beschäftigt oder was sie oder ihn ängstigt.

Bringen Sie deutlich zum Ausdruck, dass die Verantwortung für den Übergriff bei der Täterin oder beim Täter und nicht bei den Betroffenen liegt.

Erklären Sie, was Sie tun werden. Versprechen Sie jedoch nichts, was Sie nicht halten können beziehungsweise worauf Sie keinen Einfluss haben.

Eine Anzeigenerstattung sollte in der Regel mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgen. Ausnahmen sind Entscheidungen, die im Rahmen einer Kindeswohlgefährdung durch sorgeberechtigte Erwachsene getroffen werden müssen.

Für Betroffene können viele stärkende und stabilisierende Maßnahmen eingeleitet und angewandt werden, zum Beispiel Beratung, psychosoziale Prozessbegleitung, Psychoedukation, Traumapädagogik, Krisenintervention, Videovernehmungen, Vermeidung von Mehrfachvernehmungen.

Sollte die Täterin oder der Täter nach Anzeigenerstattung die Betroffenen versuchen zu beeinflussen, zum Beispiel durch Drohung oder unter Ausnutzung der Schamgefühle und Schuldgefühle der Opfer,  ergreifen Sie Schutzmaßnahmen oder informieren Sie bitte unverzüglich die zu ermittelnde Polizeidienststelle.

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Verhaltensempfehlung nach sexualisierter Gewalt

Suchen Sie bei Bedarf Schutz und Unterstützung bei einer Vertrauensperson oder einer Beratungsstelle. Lassen Sie sich medizinisch behandeln und versorgen. Nehmen Sie Kontakt zu einer Beratungsstelle auf.
Auch wenn es Ihnen schwerfällt, vernichten Sie keine Beweismittel. Bewahren Sie zum Beispiel Bekleidung und Wäsche auf. Verpacken Sie diese einzeln in Papiertüten. Duschen und waschen Sie sich, wenn möglich, bis zu einer ärztlichen Untersuchung nicht. Verändern Sie, wenn möglich, den Tatort nicht.

Wenn Sie vermuten, dass Sie unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen Opfer einer Gewalttat geworden sind, sollten Sie sich so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung begeben, K.-o.-Tropfen sind nur kurzzeitig im Blut und im Urin nachweisbar.

Bei Sexualstraftaten ist es für die Kriminalpolizei wichtig, sich ein Gesamtbild von Ihnen und Ihrer Lebenssituation zu machen. Dazu können auch Fragen zu Ihrem Intimleben gehören, die von den Beamten sachlich gestellt werden. Solche Fragen werden aber auf das Unerlässliche beschränkt.

Wenn Sie durch eine Gewalttat einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben, können Sie nach dem Opferentschädigungsgesetz Versorgungsleistungen erhalten, zum Beispiel Heilbehandlung und Krankenbehandlung, Hilfen zur beruflichen Rehabilitation, Beschädigtenrente. Die Versorgung wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag ist an das für Ihren Wohnort zuständigem Versorgungsamt zu stellen. Diese Form der Entschädigung ist jedoch nicht mit Schadensersatzleistungen oder Schmerzensgeld gleichzusetzen.

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Beratungsangebote nach sexualisierter Gewalt

Sind Sie unsicher, ob Sie eine Strafanzeige erstatten sollten, da Sie eventuell Angst vor Bedrohung und Rache haben, Sorge haben dass man Ihnen nicht glaubt, oder nicht wissen, was auf Sie zukommen kann, empfehlen wir Ihnen ausdrücklich, sich an eine Beratungsstelle zu wenden oder sich juristische Beratung einzuholen, die Sie bei Ihrer Entscheidungsfindung unterstützen kann.

Die Erstattung einer Anzeige kann eine deutliche Botschaft an die Täterin oder den Täter sein, dass sich Betroffene nicht einschüchtern lassen. Dennoch sollten sich Betroffene grundsätzlich von ihrem Empfinden leiten lassen. Folgende Beratungsangebote stehen Ihnen zur Verfügung:

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